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Nun will die Verwaltung des Kanton St. Gallen etwas Gutes tun und hat eine erste Botschaft zusätzlich in «Leichter Sprache» publiziert. Soweit so gut.

Diesen Text habe ich mir mal angeschaut und bin der Meinung, dass es hier noch einiges an  Verbesserungspotential gibt. Aber fangen wir mal von Vorne an, bei den Zielgruppen. Hier versucht man vier Personengruppen damit abzufangen: 1. Personen mit Lernstörungen, 2. Analphabeten, 3. Pensionäre und 4. Ausländer. Wenn ich den Text anschaue, dann ist dieser Text aber eher für eine 5. Personengruppe geschrieben, nämlich solche mit speziellen Bedürfnissen. Das soll nicht herablassen tönen, denn auch Personen mit speziellen Bedürfnissen soll man erreichen können.

Hier der Grund, wieso ich bei den anderen vier Personengruppen aber denke, dass diese Texte unpassend sind:

  • Personen mit Lernstörung oder Analphabeten haben nicht per se ein intellektuelles Defizit. Wenn ich schlecht lesen kann, dann spielen die verwendeten Wörter eine sekundäre Rolle. Natürlich ist es ein riesiges Problem, wenn es sich um Amtsdeutsch handelt, mit Schachtelsätzen und unbekannten Fremdwörtern handelt, aber dazu noch später.
  • Pensionäre werden auch nicht per se zum Zielpublikum dieser Art von Publikation. Diese sehen mit den Jahren vieleicht schlechter, aber sonst sind die meisten im Kopf noch fit wie ein Turnschuh. Demenz ist ein anderes Thema, aber da gehören sie dann wieder zur fünften Personengruppe.
  • Ausländer: Tja, da ist die Schweiz aus meiner Sicht zu gutmütig. Ein Grundverständnis der (Hoch-)Sprache des Landesteiles wo man lebt, sollte aus meiner Sicht nach 6 Monaten ein Muss sein… Aber dazu möchte ich mich nicht weiter äussern, da ich nicht in die rechte Schublade gesteckt werden will, wo ich mich definitiv NICHT sehe!

Jetzt aber nochmals zu den Inhalten. Hier fehlt mir noch eine Strukturierung durch Überschriften. Mindesten eine Auszeichnung solcher. Eine Seitenweise Auflistung von ein-, zweizeiligen Absätzen entspricht nicht meinem Verständnis eines gut lesbaren und verständlichen Textes.  Wieso man bei Aufzählungen auf Aufzählungszeichen verzichtet, ist mir auch schleierhaft, denn dadurch wird der Text schwerer verständlich. Nun ja, vielleicht können Personen mit speziellen Bedürfnissen mit Aufzählungszeichen vielleicht nichts anfangen, aber ganz sicher würde es den Zielgruppen 1 bis 4 helfen.
Soweit meine Gedanken zu den paar Seiten Text, den ich dafür analysieren konnte.

Trotzdem habe ich noch etwas: Was belustigend ist der Fakt, dass der Kanton St. Gallen die sonst verwendete Sprache «Schwere Sprache» nennt… Nicht «normal», sondern «schwer»! So und da fühle ich mich als Nicht-Jurist und nicht Staatsangestellter ausgegrenzt. Also verstösst die «Schwere Sprache» gegen die gesetzlich geforderte Inklusion.
Und deshalb hier mein Vorschlag: Wieso kreiert man nicht eine «Normale Sprache» für alle amtlichen Dokumente? So wie eine Person mit speziellen Bedürfnissen ein Problem beim Verstehen von «normalen» Texten hat, so hat die Mehrheit der Schweizer auch ein Problem beim Verstehen des Amtsdeutsch der «Schweren Texte». Sprache wandelt sich, wobei die Amtssprache immer irgendwie einige Dekaden nachhinkt. Oder sehe ich dies komplett falsch?